Johanna Bossart

Paperweights

mit Christian Beutler, R57, Zürich, 2017




Ein hellblauer Cadillac, verrostet und notdürftig zusammengeflickt. Zwei leere Briefkästen
inmitten einer wilden Wiese. Der Sheriff macht Pause im Diner, der Swimming-Pool hat
schon lange kein Wasser mehr gesehen. Und immer wieder Neon-Logos und Leuchtkästen
mit schwarzen Lettern: COME EAT, HUDDLE, I HAVE A DREAM. Die USA, wie wir sie schon
oft gesehen haben – und doch auch wieder nicht.
In Paperweights geht das Fotografenpaar Christian Beutler und Johanna Bossart einem
Amerika nach, das wir zu kennen glauben. Den Bildern, mit denen Generationen von
Europäern aufgewachsen sind, vermittelt durch Film, Fernsehen und Fotografie: Mit Walker
Evans, William Eggleston oder Stephen Shore werden Ikonen der Fotografiegeschichte
zitiert, Bekanntheiten aus der Welt des Films haben Cameoauftritte.
Klischee, Hommage, Souvenir: Schon die Worte, die sich zur Beschreibung aufdrängen,
wirken irgendwie verbraucht. Und unpassend. Denn hier geht es um mehr als das Aufspüren
von Klischees oder eine fotografische Hommage. Die Paperweights sind keine Fotografien,
sie sind Objekte. Die Bilder wurden auf alte Briefbeschwerer aus Glas montiert: Fundstücke
aus Trödlerläden, Flohmärkten und (ganz zeitgemäss) eBay. Ursprünglich zeigten sie
bekannte und weniger bekannte Sujets wie das Kapitol in Washington oder namenlose
Hafenszenen. Als Reisesouvenirs aus zweiter Hand haben die Paperweights eine eigene
Geschichte.
In den Händen von Beutler & Bossart erzählen sie noch viel mehr: Von den geeinten Blicken
der beiden Fotografen; von ihrer Faszination für dieses Land, in dem sich Klischee und
Realität gerne die Hand geben. Von ihren Reisen an abgelegene Orte, von zufälligen Bild-
Fundstücken. Und vor allem von einer einst funkensprühenden Kultur, die langsam aber
sicher verglüht.
Mit ihrer Zusammenarbeit wagen die Fotografen ein Experiment. Auf ihren Reisen werden
beide von denselben Themen und Szenen gepackt, die sie aber unterschiedlich sehen:
Formal und grafisch durchdacht sind die Bilder von Christian Beutler, dynamisch und stets
auf der Suche nach Geschichten jene Johanna Bossart. Das Ergebnis ist ein gemeinsames
Sehen, ein wirksames Zusammenspiel der beiden Blicke.
Die Paperweights sind Mitbringsel einer Zeitreise: Damals und heute lässt sich nicht trennen,
Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Man möchte sich all die Filme und
Fotografien, die hier zitiert werden, wieder einmal anschauen. Man möchte sie in die Hand
nehmen, die Paperweights, ihr Gewicht prüfen, das Material spüren – und die Bilder hinter
Glas irgendwie zu fassen kriegen.

 Text: Catharina Graf