Johanna Bossart

PASTICHE

Sihlquai 55 Zürich, 2016, mit Esther Schena

Eine der ersten gemeinsamen Arbeiten von Esther Schena (1976, Müstair GR) und
Johanna Bossart (1977, Brugg AG) entstand vor zehn Jahren während eines Aufenthalts in New York und Paris. Trotz der grossen Distanz wollten die Künstlerinnen einen Tag gemeinsam verbringen und stellten sich dafür verschiedene
alltägliche Aufgaben, die es zu absolvieren galt. Dabei ging es nicht nur um das Alltägliche oder Unaufgeregte, das wir aufgrund seiner Selbstverständlichkeit nicht mehr sehen (können), sondern auch um das Erkunden des urbanen Raumes und Lebens. Gerade Sophie Calle und ihre Beschäftigung mit Baudelaires Flaneur war eine
zentrale Referenz in ihrem Vorgehen.
Johanna Bossarts Serie kleiner Porzellanskulpturen in Form von Topfpflanzen, wie sie ihr auf unzähligen Fenstersimsen während ihren Reisen durch Nordamerika begegnet sind, stellt eine solche Fokussierung auf ein weit verbreitetes und doch oft übersehenes Phänomen dar. Diese floralen Stillleben werden von Bewohnern liebevoll zusammen-gestellt und integrieren sich nach und nach in das Interieur, bis sie für den alltäglichen Blick beinahe unsichtbar werden. Ihre Arbeit ist weniger eine Kritik an der Domestizierung der Natur als vielmehr eine Hommage an die kleinen Auswüchse
des Lebens. Ein Interesse für das Unaufgeregte, vielleicht schon in Vergessenheit Geratene, zeigt sich auch in der Holztafel, die sie aus einem Auto fotografiert und im Ausstellungsraum nachgebaut hat „Memphis“. Die Tafel ist ihres Zwecks beraubt, das Plakat ist weg, und steht als Monument des Übriggebliebenen in der amerikanischen
Landschaft – so auch die Arbeit „Eureka“, eine Aufnahme eines Geschäfts mit dem Schriftzug „One Hour Photo“, was zu Zeiten analoger Fotografie für technischen Fortschritt stand und dank der Digitalisierung heute hauptsächlich Nostalgiker begeistert. Die Wiederaufnahme einer Arbeit, die vor zehn Jahren entstanden ist, wirft einerseits den Blick zurück auf die künstlerischen Biographien der beiden und auf ihre langjährige Freundschaft, aber auch auf das Thema der Wiederaufnahme künstlerischer Werke per se.

Text: Daniela Minneboo